Wussten Sie , dass …

… sich das Sehen und die Zusammenarbeit der Augen bereits in den ersten Lebensmonaten entwickeln?

… für eine erfolgreiche Behandlung von kindlichen Sehstörungen die Früherkennung schon im 1. Lebensjahr notwendig ist?

Schielen – was man schon bei Babys beachten muss!

Schielen (Strabismus)

Eine beständige oder auch unregelmäßig auftretende Fehlstellung der Augen wird als Schielen (Strabismus) bezeichnet. Die Blickrichtung der Augen weicht dabei voneinander ab und verläuft nicht parallel zueinander. Ein Auge kann dabei nach innen, außen oder oben abweichen. Etwa 5 % der Bevölkerung leiden unter dem Schielen, wobei häufig die äußerlich erkennbare, oft auch entstellende Abweichung der Augen als belastend empfunden wird.

Beim Schielen handelt es sich allerdings nicht in erster Linie um einen ästhetischen Makel. Vielmehr ist damit eine schwere Sehbehinderung verbunden, die wir im Augenzentrum behandeln. Je früher eine Behandlung bei einem Kind begonnen wird, desto besser sind die Heilungschancen. Die Erfolgschancen minimieren sich bereits mit Anfang des Schulalters.

Schielen – die direkten Auswirkungen auf das Sehen

Nur wenn die Augen parallel in die gleiche Richtung schauen, kann der umgebende Raum richtig wahrgenommen werden. Denn in beiden Augen entstehen jeweils zwei voneinander unabhängige Bilder, die sich jedoch nur minimal unterscheiden. Erst das Gehirn formt aus diesen beiden Bildern einen dreidimensionalen Seheindruck. Beim Schielen ist es so, dass sich die beiden Bilder aufgrund der Fehlstellung der Augen zu sehr unterscheiden und sich nicht decken. Hierbei kommt es zu Doppelbildern, gegen die sich das Gehirn wehrt, indem es das vom schielenden Auge kommende Bild unterdrückt. Die gravierenden Folgen bestehen darin, dass das nicht richtig genutzte Auge im Laufe der Zeit amblyop, also sehschwach, wird.

 

 

Babys lernen Sehen

Kurz nach der Geburt nehmen Säuglinge die Umwelt nur verschwommen wahr. Während der ersten sechs Lebensmonate beginnt das Baby damit, Punkte zu fixieren und eine Koordination der Augenbewegungen vorzunehmen. In der Übungsphase können hin und wieder auftretende Augenfehlstellungen noch als normal bezeichnet werden. Ist allerdings nach dem 6. Lebensmonat ein Auge in Bezug auf die Blickrichtung des anderen noch immer abweichend, ist es ratsam, das Augenzentrum aufzusuchen. Wichtig ist, dass das Schielen schon im frühen Säuglingsalter diagnostiziert und – sofern notwendig – eine Behandlung begonnen werden kann. Bei Kleinkindern bessert sich die Sehschärfe im Laufe der Wachstumsphase Schritt für Schritt.

 

Behandlung des Schielens

Einwärtsschielen bei Kindern kann mit einer nicht korrigierten Fehlsichtigkeit  einhergehen. So kann bei einer Vielzahl von Kindern das Schielen bereits mit der richtig bestimmten Brille beseitigt oder stark verringert werden. Als optimal hat sich die Behandlung des Kindes mit einer Brille im zweiten Lebensjahr herausgestellt.

 

Folgende Methoden werden eingesetzt:

Behandlung mit einer Brille
Weil Schielen bei über 50 % der Kinder wegen einer unkorrigierten Fehlsichtigkeit auftritt, wird zunächst die Stärke des Sehfehlers mithilfe von Augentropfen ermittelt. Schielende Kinder leiden mehrheitlich an einer Weitsichtigkeit. Die Brille ermöglicht ein entspanntes und ruhiges Sehen. Der Schielwinkel kann sich verringern oder verschwindet im besten Fall sogar ganz.

 

Okkludieren – das Abdecken eines Auges
Um die Schwachsichtigkeit zu beseitigen, wird das nicht schielende Auge mithilfe eines Pflasters abgedeckt. Häufig kommt es hierbei zu einer Normalisierung der Sehschärfe. Allerdings geht eine  Schielstellung unter der Pflasterbehandlung nicht zurück. Selten kann es sogar zu einer Zunahme des Schielwinkels beim abgeklebten Auge kommen. Der Wechselrhythmus des Klebepflaster-Auftrags auf das gesunde Auge wird individuell auf Ihr Kind abgestimmt und muss explizit eingehalten werden, um das Training des sehschwachen schielenden Auges zu bewirken. Sollte Ihr Kind die Pflasterbehandlung nicht dulden, gibt es auch die Möglichkeit, Augentropfen in das nicht schielende Auge zu verabreichen. Diese führen zu einer Pupillenerweiterung am nicht schielenden Auge. Damit ist das Nahsehen mit dem Schielauge unmöglich. Auf diese Weise wird Ihr Kind dazu gebracht, lediglich das schielende Auge einzusetzen und zu trainieren. Vorteilhaft ist, dass die Sehschärfe sich beim schwachsichtigen Auge zumeist gänzlich normalisieren lässt. Voraussetzung ist jedoch, dass Sie die Behandlung frühzeitig und konsequent durchführen. Nur so lassen sich gute Resultate erzielen.

Die Amblyopietherapie mit einer stundenweise Teilzeitokklusion muss gegebenenfalls  bis zum 12. Lebensjahr fortgeführt werden – auch dann, wenn eine Operation erfolgte.

Schieloperation
Bei 50 % der schielenden Kinder kann die Fehlstellung lediglich durch eine Operation beseitigt werden. Bis dahin sollte Ihr Kind mit beiden Augen gleich gut sehen können. Mit der Operation wird der Schielwinkel reduziert, der Sehfehler / die Fehlsichtigkeit  selbst wird  dadurch nicht beseitigt, weswegen das Tragen einer Brille weiter anzuraten ist. Schieloperationen gelten als risikoarm, und die Erfolgsaussichten sind ausgesprochen gut.

Nachbehandlung
Nach der Operation ist die regelmäßige Überprüfung der Sehschärfe und der Zusammenarbeit beider Augen wichtig.

Zum Erhalt der Sehschärfe muss gegebenenfalls eine stundenweise Okklusion des „guten“ Auges durchgeführt werden. Eine Behandlung bzw. Nachsorge ist hierbei  bis zum 12. Lebensjahr  anzuraten.

Weitere Informationen

Zu den Ursachen des Schielens gehören:
  • Familiäre Veranlagung
. Bei positiver Familienanamnese bezüglich Strabismus und Refraktionsfehlern (Brillenträger) ist eine augenärztliche und orthoptische Untersuchung dringend anzuraten.
  • Risikofaktoren während der Schwangerschaft und Geburt
, z. B. bei Frühgeburten, Zangengeburten ist das Strabismus-Risiko signifikant.
  • Ursachen am Auge selbst wie angeborene Netzhautveränderung, unterschiedliche Brechungsfehler, Linsentrübung, Verletzungen am Auge etc.
  • Schielstellungen können auch auftreten nach Kinderkrankheiten, z. B. nach hohem Fieber, nach Unfällen, nach Gehirnerschütterungen; auch bei mehrfachbehinderten Kindern ist sehr häufig ein Schielen festzustellen.
  • Plötzliches Schielen bei Jugendlichen oder Erwachsenen, häufig begleitet von Doppeltsehen, entsteht z. B. durch Augenmuskellähmungen oder die Manifestation eines vorher bestandenen latenten Schielens. Auch nimmt die Zahl der Patienten/innen mit belastungsabhängigen Störungen des beidäugigen Sehens deutlich zu, was auf die ständig wachsenden Anforderungen an das Sehen, z.B. in der Schule oder am Bildschirmarbeitsplatz, zurückzuführen ist. Diese Störungen machen sich durch Kopfschmerzen, Lesestörungen, schnelles Ermüden der Augen usw. bemerkbar.

Bei folgenden Alarmzeichen sollte ein Kind bei der Augenärztin / dem Augenarzt oder der Orthoptistin vorgestellt werden:

  • auffällige Schielstellung
  • Augenzittern
  • Schiefhalten des Kopfes
  • Vorbeigreifen
  • Ungeschicklichkeiten (Stolpern, Anstoßen)
  • Häufiges Blinzeln, Zwinkern, Zukneifen eines Auges
  • „Lesen mit der Nase“
  • Unlust am Lesen
  • Lesestörungen
  • Konzentrationsproblemen
  • Klagen über Doppelbilder, Kopfschmerzen, Augenbrennen, Verschwommensehen
  • Sehschwäche
  • Amblyopie
  • gestörte Entwicklung oder Verlust des Sehens mit einem oder beiden Augen
  • psychische Probleme
  • Einengung bei der Berufswahl
  • Einschränkungen beim Führerschein

Schielen ist nicht nur ein Schönheitsfehler, sondern stellt eine Sehbehinderung dar. Wird das kindliche Schielen nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, so entstehen neben der kosmetischen Beeinträchtigung weitere Behinderungen.

Kinder mit Schielstellung nehmen in der Regel keine Doppelbilder wahr. Der Seheindruck des schielenden Auges wird in der Regel unterdrückt, d. h. das schielende Auge wird vom Sehen ausgeschlossen und kann in der Sehentwicklung hinter dem „guten Auge“ zurückbleiben. Es kommt zu einer Sehschwäche bzw. Amblyopie.

Unter Amblyopie versteht man eine herabgesetzte Sehschärfe, die durch mangelnden Gebrauch eines organisch gesunden Auges entsteht. Ohne Behandlung entwickeln 80 % aller Schielkinder (3 bis 5 % der Kinder in Deutschland schielen!) eine Sehschwäche, die lebenslang bestehen bleibt, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt und behandelt wird. Der dauerhafte Verlust des beidäugigen und räumlichen Sehens kann in diesen Fällen auch durch eine Operation nicht behoben werden.

Eine weitere Folge der Schielstellung ist ein Defekt im beidäugigen Sehen. Die Entwicklung des beidäugigen Sehens ist aufgrund der Schielstellung so gestört, dass kein normales beidäugiges Sehen entstehen kann.

Ein auffälliger Schielwinkel ist bei einem Kind nicht zu übersehen. Jedoch oft zu spät entdeckt, da nicht auffällig, wird der sogenannte Mikrostrabismus, ein kleiner Schielwinkel, der allerdings z. B. auf die Entwicklung der Sehschärfe des schielenden Auges die gleichen Auswirkungen hat wie ein großer Schielwinkel.

Ebenfalls äußerlich unauffällig sind die Kinder, die kein Schielen zeigen, aber eine Sehschwäche aufgrund eines unterschiedlichen Brechungsfehlers/Refraktionsfehlers (Anisometropie) haben. So kann z. B. ein Auge normalsichtig sein, das andere kurzsichtig oder weitsichtig sein. Unterschiedliche unkorrigierte Brechungsfehler sind sehr ungünstige Voraussetzungen für die Entwicklung des beidäugigen Sehens. Wenn Brechungsfehler nicht rechtzeitig erkannt werden, so kann ein Auge ebenfalls in der Sehentwicklung zurück bleiben; auch hier entsteht eine Amblyopie, ähnlich wie beim Schielen.

Auch Schielformen, die nur bei Müdigkeit oder Krankheit auftreten (intermittierendes Schielen, dekompensierende Heterophorie), bedürfen einer Abklärung. Des weiteren gibt es ein sogenanntes verstecktes Schielen (Heterophorie), welches Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme oder Lese-Schreib-Probleme verursachen oder verstärken kann.

  • Kinder mit Sehstörungen äußern keinerlei Beschwerden über ihr Sehen, da sie noch keine Qualitätsansprüche an ihr Sehen stellen können. Sie kennen es nicht anders.
  • Kinder mit Sehstörungen sind allenfalls verhaltensauffällig durch Vermeidungsstrategien.
    Kinder mit einem Sehfehler können zeitweise auch ohne Brille gut sehen. Dies hängt mit der Elastizität ihrer Augenlinse zusammen. Kinder und Jugendliche sind in der Lage, die Augenlinse stark zu krümmen und somit einen Teil des Sehfehlers auszugleichen. Dies ist zu vergleichen mit einem Zoom-Mechanismus, mit dem sie in der Lage sind, kurzfristig gut zu sehen, längerfristig können jedoch Beschwerden auftreten.
  • 
Eine einseitige Sehschwäche wird durch das Sehen mit dem besseren Auge „ausgeglichen“.
    Kinder sollen zu einer augenärztlich-orthoptischen Untersuchung:
    …sofort
    bei sichtbaren Auffälligkeiten der Augen, wie z. B. Augenzittern, Hornhauttrübungen, grauweißlichen Pupillen, großen lichtscheuen Augen oder bei Lidveränderungen, hier besonders Hängelidern, welche die Pupille verdecken, oder, falls Sie sich einer Sache nicht sicher sind.…mit 6 bis 12 Monaten
    bei erhöhtem Risiko für Schielen, für Fehlsichtigkeit (optische Brechungsfehler) und/oder für erbliche Augenerkrankungen. Das liegt z. B. vor bei Frühgeburten, Kindern mit Entwicklungsrückstand, Geschwistern oder Kindern von Schielern oder stark Fehlsichtigen (besonders Übersichtigen), sowie bei Kindern aus Familien mit bekannten erblichen Augenerkrankungen.… mit 24 bis 36 Monaten
    alle übrigen, auch unverdächtigen Kinder zur frühzeitigen Entdeckung eines kleinwinkligen Schielens oder von optischen Brechungsfehlern.